Die unklare Beziehung von Normakzeptanz und Sanktionsrisikobeurteilung.

Gerechtigkeitsglaube oder moralfestigende Normverdeutlichung?

Autor/innen

  • Helmut Hirtenlehner Johannes Kepler Universität Linz

Schlagworte:

Normakzeptanz, Sanktionsrisikoeinschätzung, positive Generalprävention, Just World Fallacy

Abstract

Die vorliegende rechtssoziologische Untersuchung bemüht sich um eine empirische Klärung des Beziehungsverhältnisses von Normakzeptanz und Sanktionsrisikobeurteilung. Querschnittskorrelationen auf Befragungsdatenbasis zeigen regelmäßig, dass eine gehobene Normanerkennung von einer größeren Sanktionsrisikoeinschätzung begleitet wird, sagen aber nichts über die kausale Richtung der Verbindung. Der Verinnerlichungsgrad einer Rechtsnorm kann sowohl Ursache als auch Ergebnis der perzipierten Sanktionierungswahrscheinlichkeit sein. Ersteres lässt sich mit Blick auf den „Just World Fallacy“, Letzteres im Sinne der positiven Generalprävention argumentieren. Die Ergebnisse einer Längsschnittbefragung junger Menschen enthüllen, dass Normakzeptanz und Sanktionsrisikobeurteilung in einer reziproken Beziehung stehen. Panelmodelle mit kreuzverzögerten Effekten bestätigen, dass eine größere Sanktionsrisikoeinschätzung eine höhere Normanerkennung hervorbringt und eine gehobene Normakzeptanz zu einer Höherbewertung der Sanktionierungsrisiken führt. Der Einfluss der wahrgenommenen Sanktionierungschancen auf die dispositionelle Normbindung wird als vorläufiger Beleg für eine partielle Wirksamkeit der positiven Generalprävention gedeutet.

Veröffentlicht

26.05.2023