„Wie jeder normale Mensch auch“
Die Genese des Verdachts in rechtlichen Grauzonen im Kontext proaktiver polizeilicher Personenkontrollen
Abstract
Der deutschen Polizei wird durch verschiedene gefahrenabwehr- und auch strafprozessrechtliche Regelungen die Möglichkeit eröffnet, proaktiv und unter bestimmten Umständen anlassunabhängig Personen zu kontrollieren. Dabei steht sie immer wieder in der Kritik, nach rassistischen Kriterien Personen für eine Kontrolle zu selektieren. Dieser Beitrag untersucht aus einer rechtssoziologischen Perspektive, welcher gesetzliche Entscheidungsspielraum für die Auswahl zur Kontrolle besteht, und nach welchen Kriterien die Polizei hierfür selektiert. Wir rekonstruieren hierfür die polizeiliche Verdachtsgenese als einen In-/Kongruenzprozess: Dabei orientiert sich der polizeiliche Verdacht im Kontext proaktiver Kontrollen am Verhalten der betreffenden Person, an personenbezogenen Merkmalen wie dem Alter, Geschlecht oder der zugeschriebenen Ethnizität, und dem Ort bzw. Raum ihres Antreffens. Wenn Beamt*innen diese verschiedenen Merkmale als in sich kongruent, bzw. als inkongruent mit polizeilichen Ordnungsvorstellungen wahrnehmen, identifizieren sie die Person als verdächtig. Diese Identifikationsleistung verdichtet sich in ihrer ‚Berufs- und Lebenserfahrung‘. Diese bleibt jedoch als Grundlage für Maßnahmen häufig intransparent und ist relativ resistent gegenüber etwaigen Irritationen. Die Polizei bewegt sich damit in einem rechtlichen Graubereich, der höchst anfällig ist für diskriminierende Formen des profiling.