Die Bewältigung jurisdiktioneller Konflikte: Die Anwaltschaft im Wettbewerb mit Legal Tech-Unternehmen auf dem deutschen Rechtsdienstleistungsmarkt
Abstract
Der aktuelle Aufschwung von Legal Tech-Unternehmen hat zu erheblichen Umwälzungen auf dem deutschen Rechtsdienstleistungsmarkt geführt und stellt damit das Quasi-Monopol der Anwaltschaft in Frage. Dieser Beitrag untersucht die sich entwickelnde Beziehung zwischen Legal-Tech-Firmen und konventionellen Anwält*innen in Deutschland und konzentriert sich dabei auf die Art und Weise, wie diese Gruppen miteinander konkurrieren, kooperieren und unterschiedliche berufliche Identitäten herausbilden. Auf der Grundlage von Andrew Abbotts Theorie der Berufe wird dabei analysiert, ob es zwischen diesen Gruppen einen jurisdiktionellen Konflikt gibt, d.h. ob sie um dieselben Arbeitsbereiche konkurrieren. Die Auswertung von semi-strukturierten Expert*inneninterviews mit Personen, die in diesem Bereich tätig sind, zeigt, dass es zumindest ein gewisses Maß an Jurisdiktionskonflikten gibt, wenn auch nur in einem begrenzten Segment des Rechtsdienstleistungsmarktes, insbesondere im Mietrecht. Darüber hinaus haben Legal Tech-Firmen Arbeitsmethoden entwickelt, die sich deutlich von denen herkömmlicher Anwält*innen unterscheiden, indem sie den Schwerpunkt auf automatisierte Arbeitsabläufe legen und persönliche Beratungsgespräche weitgehend vermeiden. Diese neuartigen Praktiken haben auch zur Entstehung einer neuen Identität für Legal Tech-Unternehmer*innen geführt, die das Unternehmertum und Verbraucherschutz in den Vordergrund stellt. Trotz der Unterschiede und Konflikte scheint es eine kooperative Arbeitsteilung zwischen traditionellen Anwälten und Legal-Tech-Unternehmen zu geben, was auf eine funktionale Interdependenz in bestimmten Marktsegmenten hindeutet. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob dieses Arrangement angesichts der bevorstehenden digitalen Entwicklungen und des Aufkommens von KI-basierten Lösungen Bestand haben wird.