Weiße Deutungshoheit statt Objektivität

Der ‚objektive Dritte‘ und die systematische Abwertung von Betroffenenperspektiven

Autor/innen

  • Sué Gonzalez Hauck DeZIM-Institut

Abstract

Der Anspruch der Objektivität und die damit verwandten Leitbilder der Neutralität und Unparteilichkeit spielen im Recht eine zentrale Rolle. Noch immer gibt es einen weißen Fleck in den kritischen Auseinandersetzungen mit den Idealen der Objektivität, Neutralität und Unparteilichkeit, wenn es um die Verarbeitung explizit rassismuskritischer und vor allem intersektionaler Kritiken im Recht geht. Vor diesem Hintergrund beleuchtet dieser Beitrag, wie Weißsein im deutschen Recht strukturell verankert ist.  Von zentraler Bedeutung ist die Figur des ‚objektiven Beobachters‘. Der ‚objektive Beobachter‘ ist keinesfalls weniger subjektiv als von Rassismus Betroffene, deren Perspektiven in der Kontrastierung mit dieser Figur regelmäßig als subjektiv abgewertet werden. Die Argumentation zur Verteidigung dieser These verläuft in drei Schritten: In einem ersten Schritt werden gängige Vorstellungen von Objektivität, Neutralität und Unparteilichkeit im Recht untersucht und mit bestehenden kritischen rechtswissenschaftlichen Ansätzen kontextualisiert. Der zweite Schritt legt ein besonderes Augenmerk auf die Figur des ‚objektiven Beobachters‘ und darauf, welche unausgesprochenen Annahmen und festgefahrenen Argumentationsmuster sich hinter dieser Figur verbergen. Der dritte Schritt besteht darin, Weißsein als sozial konstruierte, wenngleich wirkmächtige, Kategorie einzuführen und Bedeutungen von Weißsein speziell im deutschen Kontext zu beleuchten. Zur weiteren Plausibilisierung und Illustration der Argumentation dienen schließlich Beispiele aus der Rechtsprechung, die aufzeigen sollen, wie mittels der Figur des ‚objektiven Dritten‘ eine weiße Norm als objektiv gesetzt wird und dabei Perspektiven von Menschen, die von Rassismus betroffen sind, systematisch abgewertet werden.

Veröffentlicht

26.05.2023