Die Verfassung gesellschaftlicher Mehrwerte
Abstract
Der Artikel bestreitet das Alleinstellungsmerkmal des ökonomischen Profits in fortgeschrittenen kapitalistischen Gesellschaften und stellt die These auf, dass analoge Mehrwertzwänge ebenso im Recht und in anderen sozialen Sektoren wirken und diese auch nicht einfach ein Produkt ökonomischer Prozesse sind. Nicht nur die Ökonomie, sondern auch andere Funktionssysteme, darunter das Recht, zwingen ihre Operationen dazu, einen spezifischen — nun aber nicht-monetären — Mehrwert über ihre unmittelbare Sinnproduktion hinaus zu produzieren. Gegenstand der Mehrwertproduktion ist jeweils das systemspezifische Kommunikationsmedium — Macht, Wahrheit/Reputation, Geld, juridische Autorität und andere.
Der Erfolg der unterschiedlichen Mehrwertzwänge ist verantwortlich für die immense Produktivität des Kapitalismus. Zugleich weisen diese Zwänge eine exzessive Ambivalenz auf: neben ihrer Produktivität haben sie eine destruktive dunkle Seite. Ähnlich wie die Profitzwänge in der Ökonomie verwirklichen die nicht-monetären Mehrwertzwänge im Recht und in anderen gesellschaftlichen Bereichen selbst- und fremddestruktive Tendenzen.
Mögliche Gegenstrategien des Rechts, welche die negativen Konsequenzen unterschiedlicher Mehrwertzwänge einzudämmen suchen, könnten sich von Karl Polanyis berühmten Konzept der fiktionalen Waren und ihrer Ersetzung durch Nicht-Markt-Institutionen inspirieren lassen. Rolle des Rechts wäre, eine gesellschaftsweite Reflexion über die Produktion und die Verteilung gesellschaftlicher Mehrwerte zu institutionalisieren, einschließlich der Mehrwerte des Rechts selbst.